Sprachen der Liebe. Wie wollen wir leben?

Daniel Schreiber kuratiert das Literaturfest

Kunstwerke, denen das Münchner Literaturfest dieses Jahr eine Bühne gibt, eint etwas, das man als »Liebe zur Welt« bezeichnen kann. Als eine Liebe, die in einer leidenschaftlichen Beziehung zu unserem Leben, unserer Gesellschaft und unserer Umwelt besteht. Und in der Überzeugung, dass wir so viel haben, für das es sich zu kämpfen lohnt. So viel mehr, als wir glauben.

Teil dieser Liebe sind romantische, freundschaftliche und familiäre Liebesformen. Zu ihr gehören aber auch ein neues gesellschaftliches und politisches Engagement sowie der Wille, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie wir leben wollen. Und das Bewusstsein, dass wir alle über etwas verfügen, mit dem wir dazu beitragen können, die Welt zu verändern. Häufig werden diese Dimensionen von Liebe vergessen oder gar als trivial dargestellt. Doch sie sind unser wichtigstes Mittel, der Welt in Zeiten wie diesen zu begegnen – und sie zu einem besseren Ort zu machen.

Die Teilnehmenden des Festivals sprechen dabei ihre jeweils eigene »Sprache der Liebe«. Diese kann sich in der Erkundung neuer kollektiver Leseformen äußern. In einem Streitgespräch über die Rettung unserer Demokratie oder der Erforschung uns zur Verfügung stehender Protestformen. In der klassisch romanhaften Auseinandersetzung mit Formen zwischenmenschlicher Liebe oder der kongenialen Nacherzählung eines unserer grundlegenden literarischen Texte über das Potenzial und die Grenzen von Liebe. Und nicht zuletzt in der Auseinandersetzung mit jenen leidenschaftlichen Beschäftigungen, mit denen jede und jeder einzelne von uns zu etwas Größerem beitragen kann.

Ermüdung und Überwältigung sind heute vielerorts wieder zu einer beängstigenden Herrschaftsstrategie geworden. Zu einer Strategie, die auf mediale Dauerschleifen aus Empörung und Lähmung abzielt und darauf, dass wir uns machtlos fühlen, hilflos und hoffnungslos. Doch wir sind nicht machtlos und es gibt auch keinen Grund, unsere Hoffnungen zu begraben. Denn die Zukunft ist noch nicht geschrieben. Dass schon so viel zerstört wurde, darf uns nicht davon abhalten, das zu retten, was wir noch retten können. Wir müssen uns darauf besinnen, was wir lieben – und dem virulenten Hass der vergangenen Jahre wieder unsere Sprachen der Liebe entgegensetzen. Womöglich können wir nur so bestehen.

Daniel Schreiber © Catherina Hess